Scheren und Spinnen
Diese Woche wird mein Hammel Wüschu geschoren. Normalerweise hält er ganz still dabei, wenn ich ihn vor dem Stall in der Sonne anbinde. Diesen Winter ist aber alles ein wenig anders, um uns herum liegt fast kein Schnee mehr, im Garten kann man Feldsalat ernten und vom Dach tropft das Tauwasser, so, dass Wüschu nur an bestimmten Stellen, dort wo ganz sicher kein Wasser vom tropfenden Dach hinspritzt, still stehen kann. Auch er kann eine Mimose sein, vor allem, wenn er speziell beachtet wird!
So sieht er aus, wenn er geschoren wird. Die langen Haare sind von der Sonne zu einem schönen Hellbraun gebleicht, darunter sieht man das Dunkelbraun des Engadinerschafes.

Die Schafe mögen es, von Hand mit der Schere im Stehen geschoren zu werden. Es ist eine ganz spezielle Aufmerksamkeit, die man ihnen dabei zukommen lässt. Vor allem jetzt, wo sie die meiste Zeit im Stall verbringen, brauchen sie die dicke Wolle nicht, sind froh um diese Erleichterung.
Zum ersten Mal verspinne ich die Wolle direkt nach dem Scheren, einfach gerade so, wie ich sie abgeschnitten habe. Und erlebe dabei, dass das Spinnen so viel einfacher ist. Alle Haare schauen bereits in die richtige Richtung, und können so von der drehenden Wolle sehr gut aufgenommen werden.

Kartieren lasse ich schon lange weg. Ich mag die Vorstellung der Metalldrähte, die ich dabei durch meine weiche Wolle ziehen würde, nicht. Dieser Verarbeitungsschritt passt nicht zu der Art, wie meine Wolle bis jetzt gewachsen ist. Und: man kann sehr gut unkardierte Wolle verspinnen. Vor allem eben wenn sie direkt vom Schaf verarbeitet wird!
An einem Abend verspinne ich so gemütlich eine Spule, am nächsten Abend die zweite.
Auf dem Bild sieht man die Menge Wolle, die ich für eine solche Spule brauche. Für eine Spule spinne ich etwa eine Stunde.

Sobald ich zwei solche Spulen gesponnen habe, verzwirne ich die beiden Spulen. Ich wickle die fertige Spule über einer Stuhllehne ab und binde sie mit einem Garn zusammen:

Nun kann die Strange in kaltes Wasser einlegen zum Waschen. Später nehme ich etwas wärmeres Wasser und wiederhole das, bis das Wasser klar wird.

Für Stulpen muss ich kein Waschmittel oder Seife verwenden. So bleibt das Lanolin in der Wolle und hilft zusätzlich, Beine und Füsse im Schnee warm zu halten.
Die gewaschene Wolle lasse ich auf einem Handtuch auf der Ofenbank trocknen. Dann wickle ich sie zu einem Knäuel auf:

Nicht nur die selbstgesponnene Wolle ist rustikal, auch das Stricken. Es geht nicht so einfach von der Hand wie mit “normaler” Wolle, aber es lohnt sich natürlich. Welche andere Wolle ist zugleich Handcreme? Hier was ich so an einem Abend während eines Podcasts stricke:

Machen wir mal die Rechnung mit diesem Stück Stulpen:
10 Minuten scheren, an zwei Abenden spinnen, die Wolle einlegen und am nächsten Tag ein paarmal frisch überbrausen, darin einlegen und später trocknen, am selben Abend den Knäuel verstricken = dann hat man in drei Wochen gemütlich seinem Hobby Scheren-Spinnen-Stricken nachgehen fertige Stulpen, und die halten jahrelang!
Man kann das alles aber auch an einem einzigen Tag schaffen.
Ich nehme mir gerne Zeit dafür. Denn ich trage die Stulpen 5 Monate lang fast jeden Tag, wenn es draussen kalt ist oder Schnee hat. Bei uns sind die Winter lang.
Nach meiner Wanderung in den Schafstall hänge ich die manchmal schneebedeckten Stulpen zum Trocknen kurz an die Sonne oder lege sie auf die Ofenbank. Man kann sie in der Waschmaschine waschen, im Wollwaschgang, oder natürlich auch von Hand auswaschen. Sie halten ewig.
Wie kann diese News dich betreffen? Du kannst bei mir Scheren lernen, spinnen lernen, Ferien machen dabei oder auch nur an einem Wochenende, wenn du selber ein Spinnrad hast, an dem du danach üben kannst. Du kannst aber auch die fertigen Wüschustulpen kaufen, von denen diese News erzählt. Oder du hast einfach so Lust, in Mont Ferien zu machen, dann schau dir meine beiden Häuser Stallhaus und Hausstall an, und melde dich bei mir. Was auch möglich ist: eine Woche die Schafe hüten auf der Alp und dabei ein Schaf scheren und die Wolle mit Pflanzen färben. Dazu findest du einen kleine Bericht unter Die Alp auf der Homepage. Wenn du einfach nur einen grossen Büschel Wüschuwolle möchtest, weil du auch selber spinnst, dann schicke ich dir diesen gerne zu.